Stegreif

Wer den Begriff “Stegräf” oder “stegräfle” hört, verbindet ihn bei uns automatisch mit der Stegreifgruppe der Harmonie Appenzell.

Damit verbunden ist bei Spielern und Zuhörerschaft eine Liebe zur Musik, eine Beziehung zu einer speziellen Art von Volksmusik, echt, unverfälscht, urtümlich; es sind Melodien, welche Gefühle der besonderen Art hervorrufen: Freude – Feststimmung einerseits; Wehmut – Heimweh – “früüt di fascht” andrerseits. Stegräf ist zu einem Markenzeichen geworden, zum Inbegriff eines einzigartigen Stils der volkstümlichen Blasmusik.

Geschichte

Der echte Stegräf zeigt sich darin, dass nur die Melodiestimme vorgegeben ist und alle weiteren Stimmen werden nach Gehör und Gefühl gespielt. Innerhalb der Harmonie Appenzell besteht seit den 50er Jahren eine Stegreifgruppe – im Stegreif gespielt wurden Appenzellerstücke aber schon seit der Jahrhundertwende um 1900. Haslen, Gonten und weitere Musikformationen übernahmen den Stegreif erst später, etwa in den 70er und 80er Jahren.

Erstmals trat unsere Stegräfgruppe im Jahre 1964 sozusagen voll an die Öffentlichkeit, als die Harmonie Appenzell zwei Schallplatten produzierte; hier waren mehrheitlich Stücke der Stegräfformation (Melodieführung Johann Manser) aufgezeichnet; die Platten hatten reissenden Absatz und erfuhren nach wenigen Tagen eine Zweitauflage. Mehr als 30 Jahre später, im August 1995 wurde eine weitere CD produziert mit Franz Wetter und Rolf Sutter als Melodieführer. Ende 2014 schliesslich produzierte die Stegräfgruppe die CD “En neue Loft” mit Thomas Raschle als Melodieführer. Eine neue Generation von Stegräflern – eben mit einem “neue Loft” (die CD inkl. Notenheft können über eine E-Mail an folgende Adresse angefragt werden: kassier@harmonie-appenzell.ch).

Stegräf hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, aber in all den Jahren ist Verschiedenes gleich geblieben, wie die einfache Art der Stücke, deren Durchsichtigkeit und feinfühlige Interpretation, die Leibe zur Volksmusikpflege, der solide Klangaufbau mit Bass, Begleitung, Horn, Oberstimmen in einer Formation von 9 bis 12 Bläsern, Freude einerseits – Wehmut andererseits, die in den Melodien zum Ausdruck kommt und unweigerlich auf den Zuhörer überspringt und das Spiel ohne Noten – eben echt Stegräf!

All dieses Unkomplizierte, Gradlinige, Einfache, Gehörfällige und Gefühlvolle ist es, das den Stegräf unserer Harmonie Appenzell auszeichnet und unverkennbar macht. So schätzt ihn die Zuhörerschaft, so wird er dargeboten bei den mannigfachen Anlässen von Geburtstag über Vereinsanlässe, politische Tagungen, Staatsbesuche, Dorffeste, Brauchtumsanlässe bis hin zur Gartenparty oder einem zufälligen, völlig spontanen Auftritt.

Unser Stegräf ist ein ebenbürtiger Partner der Original Appenzeller Streichmusik geworden: keine Konkurrenz, sondern eine wohltuende Ergänzung, eine Bereicherung, eine weitere Spezialität unserer Innerrhoder Volksmusik, ein Mitträger innerrhodischen Kulturgutes. Auch das Repertoire der Stegräf ist ähnlich jenem der Streichmusikanten: Nebst dem Ruggusserli werden Tänze gespielt von Marsch, Polka, Schottisch, Walzer, bis hin zum Mazurka. Typisch für die Innerrhoder Volksmusikszene: Die Stücke haben nur selten einen Titel.

Unterdessen ist man sich bewusst, dass das richtige Bewahren, Konservieren von Liedgut und Tänzen nicht darin besteht, diese im Tresorfach unter Verschluss zu halten, sondern indem man die Melodien unter die Leute bringt. Das ist die heutige Interpretation von “Konservieren”: Die Melodien bleiben dann am ehesten erhalten, wenn sie veröffentlicht und auch wieder gespielt werden.

(Modifizierte Auszüge aus dem Text “Stegräf Harmonie Appenzell” zur Plattentaufe am 16. August 1995 von Joe Manser)